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Wie etwas kam das nicht so hätte kommen müssen

Die Moltkestraßen-Brücke schaut auf eine bewegte Vergangenheit zurück. 1909 gebaut und eigentlich mit einer Lebenszeit von maximal 100 Jahren versehen. Die alte Dame steht jedoch immer noch. Deutscher Stahl, wie schön. Nicht so schönes trug sich dann in den letzten Jahren zu mit der alten Dame. Sie war nicht nur alt geworden, sondern auch ein wenig marode. So entschloß man sich im Jahre 2012 des Herrn, sie zu entlasten. Die schweren Benzinkutschen, die regelmäßig rechts und links auf der alten Dame zu parken pflegten, mussten weichen. So könnte man sie ein wenig entlasten, dachte man sich. Flink wurden auf ihrem rechten und linken Gehweg 38 schicke Schildkrötenpöller dauergeparkt. Prima, von nun an konnten die verhaßten Kraftwagen nur noch ein bißchen parken, und zwar in eine Straßerichtung anstatt in beide.

Alles hätte so schön sein können, wäre da nicht die Gravitation. Wie sich völlig überraschend herausstellte, führte das nicht unerhebliche Eigengewicht der grauen Vollbeton-Schildkröten mit den kecken reflektierenden Augen dazu, dass die Brücke an den beidseitigen Gehwegen nun auffällig baufällig wurde. Die gewissenhaften Bürokraten nahmen dies zum Anlaß, noch einmal ganz genau nachzuzählen, wie lange man der Brücke die Lasten der Rostlauben, Schildkröten, Fahrradfahrer und Fußläufer eigentlich noch anvertrauen konnte. Etwas verdutzt musste man feststellen, daß trotz Schaltjahren, Sommerzeit und totaler Sonnenfinsternis ganz unvermutet die Brücke ihre vorhergesagte Lebenszeit bereits erreicht, und sogar überschritten hatte. Und folgerichtig war sie nun in einem doch bedauerlichen Zustand; man gab ihr das Prädikat 3,5. Es bedeutet soviel wie ungenügend, Abrissbirne schlägt Sanierung. Das hätte natürlich niemand so voraussehen können, aber immerhin fanden die beherzten Bürokraten eine neue Lösung: die dicken Schildkrötenpöller mussten wieder weg, die Gehsteige gehörten eingezäunt und die Brücke gesperrt für Schildkröten und Kraftrosse! Die könnten doch zukünftig über den Tietzenweg, den Hindenburgdamm oder die Drakestraße abfließen. Fußvolk und Fahrradfahrer konnte man dagegen nicht ganz so forsch divergieren, schließlich mußte denen ein Zugang zum S-Bahnhof Botanischer Garten gewährt bleiben. Seit dem Verkauf des Bahnhofsgebäudes war der Bahnsteig nämlich nur mehr über die marode Brücke erreichbar. Heikel, aber es gab ja die eine Lösung der großen Sperrung. Die war zwar nicht so pfundig wie die mit den Schildkrötenpollern fünf Jahre zuvor, aber eben doch gut genug schien es. Und so kam es, dass man diese Lösung nur noch den nichtsahnenden Anliegern verkaufen mußte. An diesem Punkt jedoch lief dann dummerweise etwas schief...

Revolution auf Steglitzisch

Im Enzian, wo man sich traf um dem Volke die Kunde von den notwendigen Einschränkungen anzuvertrauen, fanden sich unvermutet einige Querköpfe ein. Die nörgelten etwas von Plänen und Alternativkonzepten und wollten sich von bürokratischer Vernunft und amtlicher Autorität so gar nicht beeindrucken lassen. Das war den Bürokraten neu. Diese Querulanten wollten sich nicht mit ihrem Versprechen zufrienden geben, dass diese Lösung alternativlos und wohlbedacht war, sondern wollten Pläne einsehen und sich selbst ein Bild der Lage machen. Die so Überraschten grübelten einen ganzen Tag und eine ganze Nacht. Vielleicht sollte man doch noch einmal die Fakten studieren? Oder besser noch, vielleicht sollte man ganz schnell Fakten schaffen? Das hatte ja schon einmal prima funktioniert, als man damals den Nörglern gegen die Ansiedlung der Schildkrötenpöller vor den Bug schoß und die Kröten kurzerhand auf den Fußgängerwegen der alten Brücke drappierte. Doch es war bereits zu spät. Der Druck der Straße wuchs ihnen bereits bis über ihre rauchenden Köpfe.

Viele Kindsköpfe machen viel Dampf

Der Rest ist Geschichte, die Besserwisser ließen nicht locker und mit dem Rückenwind vieler Unterstützer entstand die BüMo. Gemeinsam handeln, um die beste Lösung für Anwohner, Anlieger und ansässige Kiez-Geschäfte finden. Eine fast revolutionäre (?) Idee ward geboren.

Ein Schildkrötenbürgerstreich. Eine Geschichte, fast ganz frei erfunden.

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